Ein satirischer Roman in zwei unvollendeten Bänden – erschienen 1819 und 1821
„Lebens-Ansichten des Katers Murr“ ist eines der originellsten und geistreichsten Werke der deutschen Romantik – ein literarisches Experiment, das Form und Inhalt in außergewöhnlicher Weise miteinander verwebt. E. T. A. Hoffmann, Jurist, Komponist, Karikaturist und einer der bedeutendsten Erzähler seiner Zeit, erschafft hier ein Doppelporträt, das zwischen Satire, Künstlerroman und philosophischer Parabel oszilliert.
Im Zentrum steht der gelehrte Kater Murr, der in selbstgefälligem Ton seine Autobiografie verfasst – auf Altmaterial, das zufällig auch die biografischen Aufzeichnungen des empfindsamen Kapellmeisters Johannes Kreisler enthält. So kommt es zu einer literarischen Kollision zweier Welten: Die selbstverliebte Tierperspektive des Kater Murr, der seine bürgerliche Bildungslaufbahn in bester Biedermann-Manier schildert, wird immer wieder unterbrochen von den tragisch-satirischen Lebensskizzen Kreislers – eines hochsensiblen, zerrissenen Künstlers, der an der Welt verzweifelt.
Die Form des Romans – ein fiktives Manuskript, das durch ein Missgeschick der Druckerei beide Texte vermischt – erlaubt Hoffmann ein komplexes Spiel mit Masken, Perspektiven und Erzählstrukturen. Die kunstvolle Verschränkung von Tierfabel und Künstlernovelle entlarvt dabei ironisch die Selbstgefälligkeit der bürgerlichen Bildungswelt ebenso wie die Einsamkeit des romantischen Genies.
Mit diesem Werk gelingt Hoffmann eine subversive Parodie auf die zeitgenössische Autobiografik, eine brillante Reflexion über das Verhältnis von Kunst und Leben – und nicht zuletzt eine beißende Satire auf das deutsche Bildungsbürgertum des frühen 19. Jahrhunderts. Die stilistische Vielfalt reicht von heiterer Ironie über tiefgründige Melancholie bis zur grotesken Zuspitzung.
Der Roman blieb unvollendet – Hoffmann verstarb 1822 vor der Fertigstellung des dritten Teils. Dennoch gilt „Lebens-Ansichten des Katers Murr“ heute als ein Schlüsselwerk der Romantik, das in seiner hybriden Form zwischen Philosophie, Narration und literarischem Kabinettstück einzigartig bleibt. Editor:
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