Wilkie Collins’ Roman Die Heirat wider Willen (The Law and the Lady, 1875) gilt als einer der ersten englischen Kriminalromane mit einer Frau in der Hauptrolle – und zugleich als frühes Beispiel weiblicher Emanzipationsliteratur im Gewand des viktorianischen Sensationsromans.
Im Mittelpunkt steht Valeria Brinton, die kurz nach ihrer Hochzeit entdeckt, dass ihr Mann ein düsteres Geheimnis verbirgt: Eustace Woodville, so sein wirklicher Name, war einst in einen Mordprozess verwickelt. Seine erste Ehefrau starb unter mysteriösen Umständen, und obwohl der schottische Gerichtshof kein eindeutiges Urteil sprach – not proven –, haftet ihm der Makel des Verdachts an. Valeria beschließt, selbst die Wahrheit zu suchen.
Was Collins hier entfaltet, ist mehr als ein klassischer Krimi. Mit feinem psychologischem Gespür zeichnet er eine Frau, die sich über Konventionen hinwegsetzt, eigene Wege geht und mit detektivischer Beharrlichkeit die Schatten ihrer Ehe aufklärt. Figuren wie der bizarre Miserrimus Dexter, halb Genie, halb tragische Gestalt, verstärken die Spannung zwischen moralischem Licht und seelischer Dunkelheit.
Der Roman vereint Elemente des Detektivromans, des psychologischen Dramas und des Eheromans – und tut dies mit jener erzählerischen Eleganz, die Collins’ Werk unverkennbar macht. Wenngleich die Auflösung zuweilen konventionell wirkt, bleibt das Buch durch Valerias Energie und Intelligenz bemerkenswert modern. Die Heirat wider Willen ist damit ein Werk über Wahrheit und Vertrauen, über Schuld und gesellschaftliche Moral – und zugleich ein frühes literarisches Plädoyer für weibliche Selbstbestimmung.
Übersetzer: Peter Butzer, 1890
Editor: Hans-Jürgen Horn |