200 Jahre Conrad Ferdinand Meyer – Zwischen Geschichte und Seele
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- Kategorie: Zulu Magazin
- Veröffentlicht: Samstag, 11. Oktober 2025

Am 11. Oktober 2025 jährt sich der Geburtstag von Conrad Ferdinand Meyer (1825–1898) zum 200. Mal. Kaum ein anderer Schriftsteller des 19. Jahrhunderts verband historische Strenge, sprachliche Präzision und seelische Tiefenschau so meisterhaft wie er. Meyer, der Zürcher Patriziersohn, war ein Spätberufener – erst in der zweiten Lebenshälfte fand er zu seiner dichterischen Stimme. Doch diese war umso eindringlicher: ein Stil von kristalliner Klarheit, getragen von moralischem Ernst und innerer Zerrissenheit.
Seine Novellen wie „Das Amulett“ (1873), „Jürg Jenatsch“ (1876) oder „Der Schuss von der Kanzel“ (1878) gehören zu den Höhepunkten des poetischen Realismus. In ihnen verschränken sich Geschichte und Psychologie, religiöse Leidenschaft und politische Macht, persönliche Schuld und kollektives Schicksal. Meyer suchte in der Vergangenheit nach Spiegelbildern für das menschliche Drama – seine Helden sind Menschen, die in Konflikten zwischen Pflicht, Gewissen und Liebe zerrieben werden. So wurde er zum feinsinnigen Chronisten jener inneren Kämpfe, die das moderne Bewusstsein prägen sollten.
Privat war Meyer ein stiller, oft von Krankheit und Depression gezeichneter Mensch. Er lebte zurückgezogen, geprägt von religiösen Zweifeln und der Angst vor dem Verlust geistiger Klarheit. Dennoch war sein Werk von einer ungeheuren Disziplin durchdrungen. Jedes Wort, jeder Satz war sorgfältig gesetzt, getragen von der Überzeugung, dass Sprache Ordnung und Sinn stiften kann – selbst dort, wo die Welt ins Chaos zu kippen droht.
Zum 200. Geburtstag ehren zahlreiche Institutionen den Autor. Die Zentralbibliothek Zürich zeigt unter dem Titel „Conrad Ferdinand Meyer von allen Seiten“ eine umfassende Ausstellung mit Manuskripten, Erstdrucken, Briefen und Fotografien aus dem Nachlass. In Kilchberg, wo Meyer die letzten Jahre seines Lebens verbrachte, finden Führungen und Lesungen statt, begleitet von musikalischen Interpretationen seiner Gedichte. Auch Universitäten und Literaturhäuser in Luzern, Basel und Bern widmen sich seinem Werk in Vorträgen und Diskussionsreihen, die den Dichter im Kontext seiner Zeit neu beleuchten.
Die Wiederentdeckung Meyers ist mehr als ein Jubiläum – sie ist eine Einladung, die Fragen zu hören, die seine Texte stellen: Wie weit trägt das Gewissen in einer zerrissenen Welt? Wo endet die Verantwortung des Einzelnen, wo beginnt die Geschichte? Und wie lässt sich in der Sprache Trost finden, wenn das Leben schweigt?
Zu seinen Ehren haben wir zu diesem großen Anlass auf Zulu-Ebooks.com einen nahezu 1600 Seiten umfassenden Sammelband mit seinen Werken herausgebracht – darunter Erzählungen, Gedichte, Essays und Rezensionen. Dieses digitale Denkmal soll Meyers dichterisches Erbe neu erfahrbar machen – kostenfrei, offen und zeitlos.
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