Jacques Cazottes „Moralisch-Komische Erzählungen“ entführen den Leser in die schillernde Welt der französischen Aufklärung, wo Moral und Spott, Fantasie und Belehrung kunstvoll miteinander verflochten sind. Cazotte, der als Autor phantastischer wie satirischer Texte bekannt wurde, widmet sich hier den kleinen Schwächen, Eigenheiten und Abgründen der menschlichen Natur. Seine Figuren – oft karikaturesk, doch niemals bloßgestellt – bewegen sich in Szenarien, die ebenso leichtfüßig wie nachdenklich anmuten.
Mit feiner Ironie deckt Cazotte die Widersprüche seiner Zeit auf: die Diskrepanz zwischen Tugend und Trieb, zwischen höfischer Fassade und bürgerlicher Wirklichkeit. Die Erzählungen sind von pointierter Kürze und erinnern in ihrer Schärfe an die Tradition der Fabel oder der moralischen Anekdote. Der Leser wird zum Mitwisser eines Spiels, das gleichermaßen erheitert wie belehrt – ganz im Geiste des 18. Jahrhunderts, in dem Satire und Moralpädagogik einander nicht ausschließen, sondern ergänzen.
Stilistisch verbindet Cazotte Eleganz mit feinem Witz: seine Sprache ist klar, manchmal frivoler Anspielung nicht abgeneigt, und stets durchzogen von einem Hauch übernatürlicher oder fantastischer Wendungen, wie man sie aus seinem berühmten „Le Diable amoureux“ kennt. Damit gelingt es ihm, das Alltägliche zu durchbrechen und die Leser auf eine literarische Reise zwischen Wirklichkeit und Fantasie zu entführen.
Die „Moralisch-Komischen Erzählungen“ sind somit nicht bloß ein Vergnügen der Unterhaltung, sondern ein Spiegel der aufklärerischen Geisteswelt Frankreichs, in dem Humor als Werkzeug der Erkenntnis eingesetzt wird.
Leipzig, im Verlage der Dykschen Buchhandlung, 1789
Editor: Hans-Jürgen Horn |